Möller Linde
Betritt man den Görlitzer Nikolaifriedhof über die Bogstraße und steigt nach der Seufzer-Wiese links den steilen Weg hinauf, findet man neben Gehlers Gruft die Möller Linde. Die Möller Linde steht auf dem Nikolaifriedhof unweit der Nikolaikirche. Sie ist etwa 413 Jahre alt (Möller starb 1606). Der bescheidener Umfang der Linde beträgt nur 4,88 m ABER: Sie ist noch da!
Die Geschichte der Möller-Linde in Görlitz
Eine einzigartige Geschichte verbindet mich und meine Familie mit der mittelalterlichen Stadt Görlitz: die Sage von der Linde Möller. Es begann um 1600, als unser Vorfahr Martin Möller, 1547 bei Wittenberg geboren, den Ruf an die Peter-und-Paul-Kirche in Görlitz annahm. Der Pfarrer, der, wie überliefert, einige seiner Mitmenschen an Bildung und Menschlichkeit übertraf, erwarb sich schnell einen großen Ruf. Er lebte und predigte aus Überzeugung für die Reformation. Aber er war besonders gut darin, alte Texte ins Deutsche zu übersetzen. Er hinterließ volkstümliche religiös motivierte Schriften, auch Andachtsliteratur genannt, deren hohe Auflagenzahl noch heute Mollers Popularität beweist. Eines seiner Werke gilt sogar als das beste Andachtsbuch, das aus der lutherischen Kirche hervorgegangen ist.
Innerhalb weniger Jahre hatte sich der talentierte Möller einen Namen gemacht, der sogar am Dresdner Hof bekannt war. Doch schon bald spürte er den Rückschlag seines Ruhms. Görlitz war im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts eine rein lutherische Stadt. Neider sagten, er habe das Wort Gottes nicht so verbreitet, wie Luther es sich gewünscht hätte. Er wurde beschuldigt, ein Krypto-Calvinist zu sein.
Damals war es eine gefährliche Anklage und konnte zur Hinrichtung führen. Der Überlieferung nach ertrug unser damals bereits blinder Vorfahre jedoch all den schlechten Klatsch und fragte die Familie 1606 auf seinem Sterbebett:
Wenn ich sterbe, pflanze auf meinem Grab eine junge Linde mit ihren Zweigen in die Erde. So sicher diese Linde wachsen wird, habe ich auch das Wort Gottes rein und laut gelehrt und gepredigt.
Der Baum wuchs und gedieh und noch heute, nach über 400 Jahren, kann man auf dem Nikolaifriedhof in Görlitz die prächtige Möller-Linde bewundern, die ihre Wurzeln unnatürlich gepflanzt hat. Der Nikolaifriedhof ist ein seltenes Beispiel moderner evangelischer Friedhofskultur. Auf der rund 90-minütigen Abendführung „Vom Pestacker zum Sündenfall“ können Sie diesen „schönen stillen Ort“, wie ihn Luther einst für die letzte Ruhestätte forderte, auf eine ganz besondere Art und Weise erleben.
Der Nikolaikirchhof
Der Nikolaikirchhof war vermutlich vom 12. Jahrhundert bis zur Eröffnung des städtischen Friedhofs 1847 die Hauptbegräbnisstätte der Stadt Görlitz. Erstmals erwähnt wurde er um 1305 im ältesten Buch der Stadt Görlitz. Aufgrund seines reichen Bestandes an Grabsteinen und Epitaphien des frühen 17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts sowie Begräbnisstätten des 17. und 18. Jahrhunderts gilt er als seltenes Beispiel frühneuzeitlicher protestantischer Friedhofskultur. Zusammen mit der Nikolaikirche und dem Heiligen Grab gehört es seit 1996 zum Erbe der Evangelischen Kulturstiftung Görlitz.
Die Möller Linde auf der Karte
Möller Linde – Adresse: Bogstraße 10, 02826 Görlitz