Finstertor und Scharfrichterhaus in Görlitz

Das Finstertor ist das einzige erhaltene Stadttor der ursprünglich dicht besiedelten Nikolaivorstadt. Zwischen den Übergängen konnte eine Egge abgesenkt werden. Bereits 1455 wurde es als „Tor des Todeswächters“ erwähnt. Das angrenzende Fachwerkhaus im fränkischen Stil diente spätestens ab 1571 als Henkerswohnung. Wegen seines anrüchigen Berufes musste er sich vor den Toren der Stadt niederlassen. Das Jahr 1666 und die Inschrift „L.S.B.“ beziehen sich auf den Henker von Görlitz Lorenz Straßburger. Das Erdgeschoss wurde kürzlich einer umfassenden Renovierung unterzogen. Heute Sitz der Jugendbauhütte, einer Einrichtung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, in der Jugendliche ein Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege absolvieren können.


Geschichte dieses Ortes


Das Tor wurde erstmals 1455 als Totengräbertor erwähnt. Der Name des Armen-Sünder-Tors stammt aus der Zeit, als verurteilte Sünder vom Nikolaitor zur Hinrichtungsstätte am Finstertor geführt wurden. Das benachbarte Fachwerkhaus ist das Scharfrichterhaus. Es war das Haus des Henkers und wurde erstmals 1377 erwähnt. Der Henker lebte jedoch wahrscheinlich bis 1571 hinter der Schwarzen Gasse innerhalb der Stadtmauern und zog dann zum Dunklen Tor. Nach dem Bau der Büttelei (Gefängnis) innerhalb der Stadtmauer um 1589 kehrte er für einige Jahre in die Stadt zurück. 1601 kehrte er schließlich zum Finstertor zurück.


Wissenswertes über das Finstertor


Das Finstertor, auch Armesündertor genannt, war Teil der Befestigungsanlagen am Stadtrand von Görlitz. Er bildete den nördlichen Eingang zur Nikolaivorstadt, die von einer Lehmmauer und Zäunen umgeben war. Der Spitzbogengang hatte ein Fallgatter. Das Dunkle Tor ist das einzige erhaltene Tor der Vorstadtbefestigungen.


Das Scharfrichterhaus heute


Görlitz, Scharfrichterhaus und Finstertor.JPG


By H2k4Own work, CC BY-SA 3.0, Link

Die Inschrift „1666 L.S.B. liest auf der Straßenseite des Hauses des Hirten. Es erinnert an den Henker von Görlitz, Lorenz Straßburger, einen einst angesehenen Henker. Im Hof ​​befinden sich die Jahreszahl 1676 und die Zeichnung einer Axt. Im Jahr 1810 wurde das Henkershaus renoviert, der untere Teil der Mauern war aus Stein und darüber wurde ein Lehmrahmen gesetzt. Nach zehnjährigem Leerstand wurde das Haus von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Pacht übernommen und 2003 denkmalgerecht saniert. Das Dach konnte nach historischem Muster mit gespaltenen Holzschindeln gedeckt und der auskragende Nordgiebel wiederhergestellt werden.

Heute wird das Scharfrichterhaus von der sogenannten Jugendbauhütte, einer Einrichtung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, genutzt. Hier können sich Jugendliche ein Jahr lang ehrenamtlich in der Denkmalpflege engagieren.


Finstertor und Scharfrichterhaus in Görlitz auf der Karte



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Das Gewerbe des Henkes in Görlitz


Das blutige Handwerk des Stadthenkers hat aus verschiedenen Gründen seit jeher das Interesse eines breiten Publikums geweckt. Aus Görlitzer Aufzeichnungen erfahren wir jedoch, dass die Arbeit des Henkers nur ein kleiner Teil solcher grausamer Taten wie peinlicher Verhöre (Folter), Prügelstrafen oder Hinrichtungen war. Er verdiente seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit dem Keulen toter Rinder aus der Stadt und den umliegenden Gebieten. Er durfte Häute, Knochen (Leim) und Fett (Talgkerzen = Kerzen aus minderwertigem Talg) verwenden.

Er war auch dafür verantwortlich, dass seine Helfer alle „Insekten und stinkenden Stoffe“ von den Straßen entfernten und die Rathaustoiletten säuberten. Aber der Henker war auch ein „Hundeschläger“. Er fängt streunende Hunde ein, tötet sie und verarbeitet sie zu „Hundefett“, einer Salbe für lahme Pferde, die ihm ein gutes Zusatzeinkommen bringt.

Der wohl bekannteste Görlitzer Henker war Lorenz Strassburger, der von 1602 bis 1694 lebte. Durch seinen täglichen Umgang mit Tieren eignete er sich ein enormes anatomisches Wissen an, das ihn zu einem hervorragenden Barbier und Chirurgen werden ließ. Und doch blieb der Status des Henkers der eines unehrenhaften Berufes, der gesellschaftlich auf der untersten Ebene verankert war. Er musste einen grünen Hut tragen und ihm wurde der Zugang zu Weinkellern und Brauereien verweigert.

Aber vor 370 Jahren geschah etwas noch nie Dagewesenes. Der Henker Valentin Kühne, geboren 1592 – er war auch ein ausgezeichneter Arzt – starb am 13. Februar 1644. Sein Leichnam wurde im Henkerhaus am Finstertor beigesetzt. Anschließend wurde er in einem von Gymnasiasten angeführten Trauerzug durch Görlitz geführt. Viele Handwerker und Ratsdiener erwiesen dem Verstorbenen ihre Aufwartung, als sie dem Sarg folgten. Auch viele ausländische Henker in kostbaren Mänteln waren im Trauerzug, der zur Klosterkirche zog, wo der Oberpfarrer eine feierliche Leichenpredigt hielt.

Tatsächlich war dieser Prozess empörend. Aber die Witwe des Verstorbenen bat den Stadtrat, die Prozession zu genehmigen. Und tatsächlich hat der Rat zum ersten Mal einen zivilen Trauerzug für einen Mann in einem Beruf genehmigt, der als anrüchig gilt. Forderungen, dass vor und nach der Predigt an der Kirchentür gesungen wird und dass die Leitern den Sarg wie bei ehrenwerten Bürgern tragen, wurden jedoch nicht erfüllt.

Insbesondere die außerordentliche Begabung der Henker Valentin Kühne und Lorenz Straßburger als Pferdechirurgen und Ärzte machte sie beim Adel und dem wohlhabenden Bürgertum sehr beliebt. Aber obwohl beide sehr reich waren, hätte kein Handwerker seinen Kindern erlaubt, das Kind eines Henkers zu heiraten. So war es unvermeidlich, dass sich in Sachsen, Schlesien, Böhmen und der Oberlausitz ein henkerähnliches Familiengeschlecht entwickelte. (Quellen: Ratsarchivar Siegfried Hoche vom Ratsarchiv Görlitz)

Titelbild Copyrights: town gate "Finstertor" in the Nikolai quarter of Görlitz, Saxony - Südstädter - Own work - CC BY 3.0
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